Ein innovatives Vermittlungsmodell für Live-In-Betreuungskräfte in Deutschland
CAIR revolutioniert die Vermittlung von Live-In-Betreuungskräften durch ein innovatives Modell, das Familien und Betreuungskräfte effizient zusammenbringt.
Ausgangslage: Demografischer Wandel und Rolle der Live-in-Betreuung
Deutschland altert. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt kontinuierlich, gleichzeitig findet der überwiegende Teil der Versorgung im häuslichen Umfeld statt. Angehörige übernehmen weiterhin einen großen Teil der Pflege, geraten aber zunehmend an zeitliche, finanzielle und emotionale Grenzen. Ambulante Pflegedienste sind vielerorts ausgelastet, Fachkräfte fehlen.
Vor diesem Hintergrund hat sich die sogenannte Live-in-Betreuung (auch genannt: "24-Stunden-Pflege", "24-Stunden-Betreuung") etabliert. Eine Betreuungsperson, häufig aus Osteuropa, lebt zeitweise im Haushalt einer pflegebedürftigen Person und übernimmt Betreuung, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Alltagshilfe. Exakte Zahlen fehlen, Schätzungen gehen jedoch von Hunderttausenden Betreuungspersonen aus, die jährlich zeitweise in deutschen Haushalten tätig sind.
Klar ist: Live-in-Betreuung ist Teil der Versorgungsrealität. Ebenso klar ist aber auch, dass ein erheblicher Teil dieser Arrangements rechtlich unsicher oder klar rechtswidrig gestaltet ist. Typisch sind überlange Arbeitszeiten, fehlende Ruhezeiten, unzureichende Entlohnung, informelle Beschäftigung und Konstellationen mit hohem Risiko von Scheinselbstständigkeit.
Bestehende Beschäftigungsmodelle und ihre Schwächen
In der Praxis haben sich vier grobe Modelle herausgebildet. Jedes hat spezifische rechtliche, strukturelle und praktische Probleme.
Entsendemodell
Beim Entsendemodell beauftragt der Privathaushalt, oft über eine deutsche Vermittlungsagentur, ein Unternehmen im Ausland, das Betreuungskräfte nach Deutschland entsendet. Die Betreuungsperson ist dort entweder angestellt oder als Selbstständige vertraglich angebunden. Das Entsendemodell macht den mit größten Teil des formellen Live-in-Marktes in Deutschland aus.
Formell gelten deutsches Mindestlohnrecht und Arbeitszeitrecht auch für entsandte Arbeitnehmerinnen. In der Praxis werden Arbeitszeiten jedoch häufig zu niedrig angegeben, während faktisch eine weitgehende Verfügbarkeit erwartet wird. Diese Annahme wird auch durch Begriffe wie 24-Stunden-Pflege geprägt und führt zu einer Fehlinterpretation der Arbeitszeiten. Entscheidungen deutscher Gerichte haben klargestellt, dass auch Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit zu werten sind und mit mindestens dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden müssen.
Schwachstellen:
- Arbeitszeiten und Entlohnung stimmen auf dem Papier und in der Realität oft nicht überein.
- Weisungsrechte sind in der Praxis häufig bei der Familie, nicht beim ausländischen Arbeitgeber.
- Rechtliche und finanzielle Risiken treffen sowohl Betreuungspersonen als auch Familien und Entsendeunternehmen.
Selbstständigenmodell
Im Selbstständigenmodell schließt die Betreuungsperson als selbstständige Unternehmerin direkt einen Dienstvertrag mit dem Haushalt ab. Arbeitsrechtliche Vorschriften zur Höchstarbeitszeit oder zum Mindestlohn gelten für echte Selbstständige nicht; sie verhandeln ihr Honorar selbst.
Zugleich setzt das deutsche Recht der Ein-Personen-Selbstständigkeit enge Grenzen, wenn faktisch nur ein Auftraggeber vorhanden ist, die Tätigkeit stark personenbezogen ist und im Haushalt des Auftraggebers stattfindet. In vielen typischen Live-in-Konstellationen sind Betreuungspersonen in den Tagesablauf der Familie eingebunden, müssen sich an deren Vorgaben orientieren und haben keine echte Freiheit bei Zeit, Ort und Art der Leistungserbringung. Das sind klassische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.
Schwachstellen:
- Hohes Risiko von Scheinselbstständigkeit, wenn die formale Selbstständigkeit der Umgehung von Sozialversicherungspflichten dient.
- Gefahr späterer Statusfeststellungen mit Nachzahlungspflichten für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.
- Betreuungskräfte tragen unternehmerisches Risiko, sind aber faktisch oft in einer Arbeitnehmerinnenrolle ohne entsprechenden Schutz.
Arbeitgebermodell
Beim Arbeitgebermodell ist die Betreuungsperson direkt bei der pflegebedürftigen Person oder ihren Angehörigen angestellt. Der Haushalt übernimmt dabei alle Aufgaben eines regulären Arbeitgebers. Dazu zählen die Anmeldung der Beschäftigung, die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sowie die Organisation der administrativen Abläufe rund um das Arbeitsverhältnis.
Da der Haushalt im Arbeitgebermodell alle Rechte und Pflichten eines regulären Arbeitgebers übernimmt, entstehen auch Ansprüche wie Urlaub, freie Tage und Zeiten der Abwesenheit. Für diese Phasen muss die Familie eigenständig eine Ersatzbetreuung organisieren. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass Haushalte auf zusätzliche Lösungen zurückgreifen, etwa durch parallel eingesetzte Betreuungspersonen, kurzfristige Entlastungsangebote oder den Wechsel auf andere Modelle, die Ausfälle strukturell besser abfangen können.
Schwachstellen:
- Hoher administrativer Aufwand für Privathaushalte (Anmeldungen, Abrechnungen, Vertretung bei Ausfall).
- In der Praxis selten, weil Aufwand und Kosten im Vergleich zu anderen Modellen zu hoch sind.
Informelle Beschäftigung (Schwarzarbeit)
Viele Live-in-Arrangements entstehen weiterhin im informellen Bereich. Sie werden ohne Anmeldung, ohne schriftliche Verträge und ohne Beitragszahlungen durchgeführt. Die Vergütung erfolgt häufig bar, und Arbeitszeiten werden formlos zwischen Betreuungsperson und Haushalt abgestimmt. Ein wesentlicher Grund für diese Praxis liegt darin, dass viele Haushalte die finanziellen und administrativen Anforderungen eines regulären Arbeitgeberverhältnisses nicht erfüllen können oder die Komplexität der damit verbundenen Pflichten scheuen. Auf diese Weise entsteht ein Graubereich, in dem Betreuung zwar faktisch erbracht wird, jedoch ohne rechtliche Absicherung und ohne verbindliche Schutzmechanismen für eine der beteiligten Parteien.
Schwachstellen:
- Vollständige Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.
- Kein Schutz bei Krankheit, Unfall oder Konflikten.
- Hohes Risiko straf- und ordnungsrechtlicher Folgen im Fall einer Entdeckung.
Zusammenfassende Einordnung der Modelle
Die verschiedenen Modelle der Live-in-Betreuung unterscheiden sich deutlich hinsichtlich ihrer rechtlichen Struktur, ihrer praktischen Umsetzbarkeit und ihrer Kostenverteilung. In vielen Fällen wird die finanzielle Belastbarkeit der Haushalte zu einem zentralen begrenzenden Faktor. Gleichzeitig bestimmen das Vergütungsniveau und die Arbeitsbedingungen der Betreuungspersonen, ob ein Modell langfristig tragfähig ist. Die Analyse zeigt, dass in mehreren Modellen ein erheblicher Teil der Zahlungen nicht bei den Betreuungskräften selbst ankommt, sondern an zwischengeschaltete Unternehmen oder Vermittlungsinstanzen fließt. Dies betrifft insbesondere das Entsendemodell, in dem ausländische Agenturen und weitere organisatorische Ebenen einen substanziellen Anteil der Gesamtkosten ausmachen, während die tatsächlich ausgezahlte Vergütung vergleichsweise niedrig bleibt.
Das selbstständige Modell kann grundsätzlich eine Struktur ermöglichen, in der die finanzielle Beziehung direkter ausgestaltet ist und weniger intermediäre Strukturen beteiligt sind. Dies kann sowohl die Kosten für Familien reduzieren als auch die Einkommenssituation der Betreuungskräfte verbessern. Gleichzeitig ist dieses Modell mit rechtlichen und organisatorischen Anforderungen verbunden, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Echte Selbstständigkeit setzt klare vertragliche Abgrenzungen voraus, transparente Abläufe und eine eindeutige Rollenverteilung. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, entsteht ein erhöhtes Risiko der Scheinselbstständigkeit mit entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Folgen.
Insgesamt zeigt sich, dass kein bestehendes Modell alle Anforderungen gleichzeitig erfüllt. Rechtssicherheit, wirtschaftliche Tragfähigkeit und angemessene Arbeitsbedingungen stehen häufig in einem Spannungsverhältnis. Ein zukunftsfähiger Ansatz muss daher darauf abzielen, die jeweiligen Stärken einzelner Modelle zu nutzen und ihre Schwächen systematisch zu adressieren. Dazu gehören eine klare Definition der Leistungsbeziehungen, transparente Vergütungsstrukturen und ein Rahmen, der sowohl die Bedürfnisse der Haushalte als auch die Rechte und die professionelle Autonomie der Betreuungskräfte berücksichtigt.
Rechtssichere Selbstständigkeit: Kriterien und Herausforderungen
Angesichts der Grenzen klassischer Arbeitsverhältnisse und des Umfangs informeller Beschäftigung erscheint Selbstständigkeit als Ausweg. Damit diese rechtssicher ist, muss sie aber die Abgrenzungskriterien zur abhängigen Beschäftigung erfüllen.
Kriterien für echte Selbstständigkeit
In der Rechtsprechung und bei der Deutschen Rentenversicherung haben sich mehrere zentrale Abgrenzungskriterien herausgebildet.
Merkmale einer abhängigen Beschäftigung:
- Weisungsgebundenheit bei Zeit, Ort und Art der Tätigkeit.
- Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers, hier den Haushalt.
- Keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel oder unternehmerisches Risiko.
- Im Wesentlichen nur ein Auftraggeber über längere Zeit.
- Vergütung eher wie ein Gehalt denn wie ein Honorar.
- Typische Arbeitnehmerinnenrechte werden faktisch gewährt (Urlaub, Lohnfortzahlung), obwohl der Vertrag etwas anderes behauptet.
Merkmale echter Selbstständigkeit:
- Im Kern freie Einteilung von Arbeitszeit und Arbeitsweise innerhalb eines vertraglich definierten Leistungsumfangs.
- Keine vollständige Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers, sondern klar abgegrenzte Dienstleistungen.
- Eigenes unternehmerisches Auftreten, etwa durch Gewerbeanmeldung, eigene Außendarstellung, mögliche weitere Kunden.
- Selbst getragene wirtschaftliche Risiken, etwa bei Ausfall von Aufträgen.
- Eigene Verantwortung für soziale Absicherung.
Maßgeblich ist immer das Gesamtbild der konkreten Tätigkeit. Verträge, die Selbstständigkeit deklarieren, aber in der Praxis ein Arbeitnehmerinnenverhältnis leben, halten rechtlich nicht.
Statusfeststellung und Rechtsfolgen
Zur Klärung der Abgrenzung hat sich das Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung etabliert. Auftraggeber oder Auftragnehmer können prüfen lassen, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder als Beschäftigung einzustufen ist.
Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit als Beschäftigung eingestuft, drohen rückwirkende Beiträge zur Sozialversicherung, gegebenenfalls Lohnsteuernachzahlungen und Bußgelder. Für die Live-in-Betreuung bedeutet das: Modelle, die nur formal auf Selbstständigkeit setzen, ohne die Kriterien in der Praxis zu erfüllen, sind hoch riskant.
Gleichzeitig hat die Rechtsprechung klargestellt, dass Betreuung im häuslichen Umfeld durchaus selbstständig erbracht werden kann, wenn die Ausgestaltung dies trägt. Ein pauschales Verbot selbstständiger Live-in-Betreuung gibt es nicht. Entscheidend ist die konkrete Gestaltung.
Kernelemente eines tragfähigen selbstständigen Live-in-Modells
Aus der Analyse lassen sich Kernelemente ableiten, die ein tragfähiges selbstständiges Modell erfüllen muss, um sowohl rechtlich als auch praktisch belastbar zu sein.
1. Klare Begrenzung von Weisungsrechten
Der Haushalt kann Ziele und Rahmenbedingungen definieren (zum Beispiel welche Tätigkeiten übernommen werden, grobe Betreuungszeiten, Besonderheiten im Umgang mit der betreuten Person). Wie die Betreuungsperson innerhalb dieses Rahmens ihre Arbeit organisiert, muss weitgehend ihr überlassen bleiben.
Das bedeutet konkret:
- Kein starres, vom Haushalt unilateral vorgegebenes Stundenraster.
- Keine laufenden Detailanweisungen zu Ablauf und Ausführung.
- Keine disziplinarische Steuerung wie im klassischen Arbeitsverhältnis.
Vertraglich sollte das Weisungsrecht eng begrenzt werden. Die Betreuungsperson bleibt fachlich und organisatorisch eigenverantwortlich.
2. Transparente Leistungsvereinbarungen
Der Dienstvertrag muss klar beschreiben:
- Welche Tätigkeiten erbracht werden (zum Beispiel Haushaltsführung, Alltagsbegleitung, Unterstützung bei der Grundpflege).
- In welchem zeitlichen Umfang Leistungen vorgesehen sind (täglicher und wöchentlicher Rahmen).
- Welche Leistungen ausdrücklich nicht geschuldet sind (zum Beispiel medizinische Behandlungspflege ohne Qualifikation).
3. Keine faktische Eingliederung in den Haushalt
Auch wenn die Betreuungsperson im Haushalt wohnt, darf sie nicht vollständig in den Familienorganismus eingegliedert werden. Zeichen für eine zu starke Eingliederung wären etwa:
- Selbstverständliche Einbindung in alle familiären Abläufe.
- Erwartung, jederzeit ad hoc Aufgaben zu übernehmen.
- Verwischung der Grenze zwischen professioneller Rolle und Familienmitglied.
Praktisch erforderlich sind:
- Ein eigener Rückzugsraum mit klar geregelten Ruhezeiten.
- Bewusste Grenzziehung zwischen privaten familiären Interaktionen und der professionellen Rolle.
- Klarheit darüber, dass die Betreuungsperson Dienstleisterin ist, nicht vollwertiges Familienmitglied mit stillschweigenden Pflichten.
4. Flexible Zeiteinteilung und echte Ruhezeiten
Das Modell muss ermöglichen, dass die Betreuungsperson:
- Zeiten frei planen kann, in denen sie nicht zur Verfügung steht.
- den Haushalt verlassen kann, ohne sich ständig in Rufbereitschaft zu befinden.
- in der Lage ist, Einsätze, Pausen und Urlaubszeiten eigenverantwortlich zu gestalten.
In der Praxis bedeutet das, dass ergänzende Unterstützungsangebote nötig sind, um Versorgungslücken zu schließen. Ein Modell, das faktisch jederzeitige Verfügbarkeit verlangt, ist mit Selbstständigkeit und Gesundheitsschutz nicht vereinbar.
5. Unternehmerisches Profil der Betreuungskraft
Die Betreuungsperson sollte erkennbar unternehmerisch tätig sein, zum Beispiel durch:
- Gewerbeanmeldung oder vergleichbare Registrierung.
- eigene Gestaltung der Vergütung und Vertragsbedingungen im Rahmen marktüblicher Spannbreiten.
- Möglichkeit, über das Jahr gesehen für verschiedene Haushalte tätig zu sein.
- Verantwortung für Steuer und Sozialversicherung.
Ohne solche unternehmerischen Elemente wirkt die Selbstständigkeit schnell konstruiert.
Das CAIR-Modell: Ein Versuch, Selbstständigkeit strukturiert abzusichern
Vor diesem Hintergrund setzt das CAIR-Modell an. Es versteht sich als Vermittlungs- und Koordinationsrahmen für Live-in-Betreuung, der bewusst auf selbstständige Tätigkeit der Betreuungspersonen und bei Bedarf auf eine Kombination mit verschiedenen Unterstützungsformen setzt.
Grundprinzip: Selbstständige Betreuungskraft mit digitalem Rahmen
Im CAIR-Modell schließen Betreuungsperson und Haushalt direkt einen Dienstvertrag. CAIR liefert die Infrastruktur bei der Vertragsgestaltung, der Abstimmung des Leistungsumfangs und der Dokumentation. Die Betreuungsperson agiert als selbstständige Unternehmerin, CAIR ist Vermittler und Infrastrukturanbieter, nicht Arbeitgeber.
Die Betreuungsperson agiert als selbstständige Unternehmerin. CAIR stellt dafür standardisierte Bausteine bereit (Vertragsgestaltung, Leistungsbeschreibung, Dokumentation), die an den Kriterien für echte Selbstständigkeit orientiert sind und Statusrisiken verringern sollen.
Zentrale Bausteine:
- Vertragsvorlagen, die die Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung berücksichtigen.
- Unterstützung bei der Klärung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Fragen.
- Möglichkeit, vor Beginn eines Einsatzes ein Statusfeststellungsverfahren zu begleiten, um Rechtssicherheit zu erhöhen.
Digitale Dokumentation und Koordination
Die Vermittlung und Koordination erfolgen über eine digitale Plattform.
Kernfunktionen:
- Transparente Einsicht für den Haushalt in erbrachte Leistungen.
- Grundlage für Rechnungsstellung und Nachweis der vereinbarten Strukturen.
- Kommunikationskanal zwischen Haushalt, Betreuungsperson und optional weiteren Beteiligten.
Die Plattform soll so wahrgenommen werden, dass sie Transparenz schafft, ohne eine engmaschige, arbeitgebertypische Überwachung zu etablieren.
Integration in einen Pflege-Mix
Live-in-Betreuung kann sowohl als eigenständige Lösung funktionieren als auch sinnvoll in ein breiteres Versorgungssystem eingebettet werden. Viele Haushalte profitieren davon, verschiedene Unterstützungsformen miteinander zu kombinieren, während andere mit einer gut organisierten Live-in-Betreuung bereits eine stabile Versorgung erreichen.
Ein erweiterter Pflege Mix kann zum Beispiel folgende Elemente einschließen:
- Unterstützung durch ambulante Pflegedienste für medizinische und pflegefachliche Aufgaben.
- Ergänzung durch Angehörige, Nachbarschaftshilfe oder ehrenamtliche Angebote.
- Nutzung technischer Assistenzsysteme wie Hausnotruf oder Alltagshilfen.
- Kombination staatlicher Leistungen wie Pflegegeld und Pflegesachleistungen, die gezielt dabei helfen, verschiedene Versorgungsbausteine flexibel miteinander zu verbinden.
Ein solcher Mix kann die Betreuungskraft entlasten und bestimmte Aufgaben klar strukturieren. Gleichzeitig bleibt es möglich, dass eine Live-in-Kraft im Rahmen definierter Tätigkeiten auch ohne weitere Partner eine kontinuierliche, umfassende Betreuung sicherstellt, sofern die Bedarfe des Haushalts dies zulassen.
Koordinierung und Unterstützung
CAIR sieht die Rolle einer Koordinierungskraft oder einer koordinatorischen Instanz vor, die:
- Familien bei der Planung eines Gesamtarrangements unterstützt.
- Betreuungspersonen berät, etwa zu Selbstständigkeit, Arbeitsorganisation und Abgrenzung ihrer Rolle.
- bei Konflikten vermittelnd tätig werden kann.
So soll verhindert werden, dass aus einem formal sauberen Modell in der Praxis schleichend ein informelles oder ausbeuterisches Arrangement wird.
Grenzen, offene Fragen und Rahmenbedingungen
Auch das Selbstständigenmodell wie bei CAIR löst nicht alle Probleme.
Finanzierung
Rechtssichere Live-in-Betreuung mit begrenzten Einsatzzeiten und ergänzenden Angeboten wird teurer sein als informelle Modelle mit faktisch unbegrenzter Verfügbarkeit. Ohne zusätzliche öffentliche Finanzierung oder steuerliche Förderung besteht die Gefahr, dass legale Modelle nur für einen Teil der Haushalte wirtschaftlich erreichbar sind.
Mögliche Ansatzpunkte:
- Ausweitung bestehender Pflegesachleistungen und Kombinationsmöglichkeiten.
- Zweckgebundene Förderung legaler Live-in-Modelle analog zu Angeboten zur Unterstützung im Alltag.
- bessere steuerliche Berücksichtigung haushaltsnaher Betreuungsleistungen.
Soziale Absicherung der Betreuungskräfte
Selbstständige Betreuungspersonen müssen ihre soziale Absicherung eigenständig organisieren. Das betrifft Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung und gegebenenfalls Absicherung bei Erwerbsminderung.
Damit Selbstständigkeit nicht auf Kosten der Absicherung geht, braucht es:
- Information und Beratung für Betreuungskräfte.
- beitragsseitig tragfähige Modelle, die der Einkommenssituation Rechnung tragen.
- gegebenenfalls gesetzliche Anpassungen oder spezifische Rahmenmodelle für Solo-Selbstständige in der Betreuung.
Arbeitsbelastung und Gesundheitsschutz
Formal selbstständige Betreuungspersonen unterliegen nicht direkt dem Arbeitszeitgesetz. Faktische Überforderung bleibt aber ein Problem, wenn es kulturell und vertraglich nicht klar adressiert wird.
Notwendig sind:
- vertragliche Begrenzung des zeitlichen Umfangs der Leistungen.
- Bewusstsein bei Familien, dass eine einzelne Person keine permanente Verfügbarkeit leisten kann.
- begleitende Qualitätssicherung, etwa durch regelmäßige Gespräche und Feedbackschleifen.
Informations- und Beratungsbedarf
Sowohl Familien als auch Betreuungskräfte benötigen Orientierung:
- Welche Modelle sind legal?
- Was bedeuten Selbstständigkeit und die dazugehörigen Pflichten konkret?
- Wie lässt sich ein rechtssicheres und gleichzeitig praktisch funktionierendes Arrangement gestalten?
Hier sind neben Plattformen wie CAIR insbesondere neutrale Beratungsstellen, Pflegestützpunkte und Verbraucherorganisationen gefragt. Sie können dazu beitragen, unrealistische Erwartungen abzubauen und informierte Entscheidungen zu ermöglichen.
Ausblick: Österreich als Beispiel formaler Regulierung
Ein Blick nach Österreich zeigt, dass Live-in-Betreuung auch in einem explizit geregelten Rahmen organisiert werden kann. Dort ist die selbstständige Betreuung seit 2007 gesetzlich verankert, die Tätigkeit wird offiziell als „Personenbetreuung“ anerkannt, ist als Gewerbe definiert und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Deutschland bietet bislang keine vergleichbare gesetzliche Klarstellung. Familien erhalten gezielte staatliche Förderungen, die speziell auf Live-in-Betreuung ausgerichtet sind, während deutsche Leistungen wie Pflegegeld eher allgemein gehalten sind und nicht auf dieses Modell zugeschnitten wurden. Der Markt ist in Österreich stärker formalisiert, mit weniger Zwischenstrukturen, eindeutigen Qualitätsanforderungen und verbindlichen Registrierungsprozessen. Diese Befunde machen deutlich, dass Österreich wertvolle Hinweise liefert, wie ein strukturiertes, transparentes und rechtskonformes System grundsätzlich aufgebaut werden könnte. Entscheidend wäre, bestehende Schwächen zu vermeiden und rechtliche Schutzmechanismen deutlich stärker auszugestalten.
Diese Unterschiede zeigen, dass ein regulierter Rahmen sowohl Betreuungskräften als auch Familien mehr Sicherheit bieten kann und gleichzeitig die Kosten in einem tragbaren Bereich hält. Für Deutschland entsteht daraus eine Perspektive, wie Live-in-Betreuung langfristig fairer, klarer und nachhaltiger gestaltet werden könnte.
Fazit
Die Live-in-Betreuung wird angesichts des demografischen Wandels weiterhin eine wichtige Rolle in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Deutschland spielen. Die Analyse der bestehenden Beschäftigungsmodelle zeigt, dass viele der heute verbreiteten Lösungen auf rechtlich unsicheren oder klar rechtswidrigen Konstruktionen beruhen und mit einem hohen Risiko für Betreuungskräfte und Familien verbunden sind.
Ein Modell rechtssicherer Selbstständigkeit kann einen Weg eröffnen, Live-in-Betreuung aus der Grauzone herauszuführen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kriterien echter Selbstständigkeit nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis erfüllt werden. Das bedeutet klare Abgrenzung von Weisungsgebundenheit, transparente Leistungsvereinbarungen, bewusste Begrenzung von Arbeitszeiten, Einbindung ergänzender Angebote und eine starke Rolle von Koordination und Beratung.
Das CAIR-Modell ist ein Vorschlag, wie ein solches selbstständiges, digitales und koordinationsgestütztes Live-in-System aussehen kann. Ob es sich in der Breite etablieren lässt, hängt von mehreren Faktoren ab: politischer Wille, finanzielle Rahmenbedingungen, Bereitschaft der Haushalte zu fairen Bedingungen und dem Aufbau von Strukturen, die Betreuungskräfte in ihrer unternehmerischen Rolle unterstützen.
Klar ist: Ein Weiter so mit weitgehend ungeregelter Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit ist weder rechtlich noch ethisch tragfähig. Modelle wie CAIR zeigen, dass Alternativen denkbar sind, die sowohl die Versorgung pflegebedürftiger Menschen sichern als auch die Rechte und die Gesundheit der Betreuungskräfte ernst nehmen.